Wegträumend und anbiedernd
Das Potsdam-Museums zeigt 2014 die Ausstellung Kunstraum-Stadtraum – mit Werken der Galerie sozialistische Kunst
pnn.de vom 3.08.2012: „Sie ist wieder salonfähig: die Kunst der DDR. Der Sammler Hasso Plattner zeigt sie und auch das Potsdam Museum weiß längst um ihren Wert. Während der millionenschwere Kunstmäzen im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte derzeit die großen Namen wie Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer und Arno Rink präsentiert, sichtet das städtische Museum akribisch die regionale und auch überregionale Kunst: die oftmals zweite Riege, die es nicht auf den internationalen Markt geschafft hat. Und doch ist sie so vielstimmig, so spannend und zum Teil auch künstlerisch so gediegen, dass sie wieder ans Licht der Öffentlichkeit gehört. Denn sie erzählt weniger vom sozialistischen „Bau auf, bau auf“ und dem Heroismus der Arbeiterklasse als vielmehr vom Wegträumen, von den stillen Nischen, von der Tristesse und vom Plattmachen historischer Baukultur. Sie ist zugleich dokumentarisch und freidenkend, schönfärbend und schwarzmalend, ehrlich und auch anbiedernd.
5200 Werke wurden in der Galerie sozialistische Kunst des Potsdam Museums von 1976 bis 1990 gesammelt: Auftragswerke ebenso wie Ankäufe aus Ausstellungen oder Ateliers. Alles verschwand nach der Wende mehr schlecht als recht in schnell gesuchte, in der Stadt verstreute Depots. Auch die Werke aus Ferienheimen, Parteizentralen, Verwaltungsbüros, die von den Wänden abgehängt wurden, kamen dorthin. Vor gut einem Jahr fand das Museum nun endlich in einem dreigeschossigen Backsteinbau auf dem bewaldeten Gelände der ehemaligen Panzerhallen in Groß Glienicke einen Ort, an dem ausreichend Platz zum Lagern und Sichten der 1300 Gemälde, über 2000 Grafiken sowie Fotografien und Plastiken ist.
Die Museumschefin Jutta Götzmann und ihre Mitarbeiterin Anna Havemann gehen oft die Steintreppen hinauf, um in den acht benachbarten Räumen mit der Aufschrift „PM-GSK“ (Potsdam Museum – Galerie sozialistische Kunst) die hölzernen Grafikschränke und meterhohen Metallregale mit Gemälden zu durchkämmen. Mitunter reicht ein Blick, um die Spreu vom Weizen zu trennen, wenn man Fähnchen schwenkende Kinder mit Friedenstaube sieht oder die Riesenköpfe von Engels oder Lenin, die in ihrer Größe die feinsinnigen plastischen Arbeiten in den Regalen fast erdrücken. Doch dann ist da das visionäre Bild von Werner Gottsmann „Potsdamer Stadtlandschaft“ unter einem Regenbogen von 1975, das die Nikolaikirche in die Mitte rückt, oder das von Peter Rohn 1981 gemalte Nacht-Bild mit Abrisshäusern in der Gutenbergstraße, nur vom Mond bewacht. Romantisch und mystisch zugleich.
Und immer wieder sieht man Fluchtorte, Sehnsuchtsorte, wie die vielen Bilder über Sanssouci, die innere Emigration in Porträts oder der Blick aus dem Atelier in die Enge der Straße.
Im Frühjahr 2014 soll es eine große Ausstellung zum Thema „Stadtraum-Kunstraum“ im neuen Potsdam Museum geben. Sie wird zum großen Teil aus dieser Sammlung gespeist. Oberstes Sammelkriterium war es, den neuen Menschen und die Entwicklung der Stadt zu präsentieren, ist in einer Anweisung vom einstigen Rat des Bezirkes Potsdam zu lesen. Wie unterschiedlich dies vonstatten ging, zeigen allein zwei Bilder mit musizierenden Menschen. Während der Maler Kurt Robbel das Fröhlich-Unbeschwerte herauskehrt, fängt fast zu gleichen Zeit Heinz Böhm in seiner „Sonate“ von 1957 das Intime, Bedrückende ein. Auch auf dem expressiven Gemälde „Kinder der Welt“ von Christa Panzner aus dem Jahr 1986 sieht man in schwarze Augenhöhlen, spürt man dieses Insichgekehrtsein. Ebenso wie bei der bleichen hageren „Jungen Frau“, der Malerin Ilse Fischer (1900 bis 1979), die in allen ihren Werken feinnervig nach dem Individuellen forscht. Von ihr befindet sich der gesamte Nachlass in der Sammlung. Er wird derzeit im Rahmen einer Diplomarbeit an der Fachhochschule Potsdam erforscht. Jutta Götzmann hat sich generell um Kooperationen mit dem Studiengang Kulturarbeit bemüht.
m September kommt ein weiterer Schatz dazu: rund 50 Werke aus dem Nachlass von Karl Raetsch. Aquarelle, Holzschnitte, Ölbilder. Ein Maler, der mir robuster, oft sarkastischer Leidenschaft und gekonntem Strich seine Stadt einfing.
Welche Werke es letztendlich in die Ausstellung schaffen, wird vor allem die Qualität und der thematische Bezug zum Kunstraum-Stadtraum entscheiden. „Es wird aber keine flache Ausstellung nur mit Potsdam-Ansichten. Wir zeigen die Stadt mit ihren Innen- und Außenräumen und mit dem Rückzugsraum Atelier“, sagt die Museumsdirektorin Jutta Götzmann. Dabei wird Potsdam nicht isoliert betrachtet, sondern im Kontext zu Berlin, wo die meisten Künstler aus der Region studiert haben. „Außerdem kooperieren wir mit dem ganz wunderbaren digitalen Projekt ,Bildatlas – Kunst in der DDR’ der Technischen Universität Dresden. Dort sind in dreijähriger Forschungsarbeit mehr als 20 000 Werke erstmals systematisch erfasst und katalogisiert worden.“ Mit diesem Bildatlas arbeitet auch die Stadt Weimar, die im Herbst mit der großen Sonderausstellung „Abschied von Ikarus“ ebenfalls neu auf die Bildwelten in der DDR schauen will.
„Mit unserer Ausstellung versuchen wir, einen qualitativ überzeugenden Maßstab zu setzen. Dazu werden wir auch viele Leihgaben ordern. Um die eigenen Bestände besser einordnen zu können, hilft uns der Bildatlas. Denn wir sehen unsere Werke im Vergleich zu Halle, Berlin oder Leipzig.“ Wie Jutta Götzmann betont, sei in der Galerie sozialistische Kunst oft sehr selektiv und nach subjektiven Ansätzen angekauft worden. „Die Kunst ist teils besser gewesen als es die Sammlung spiegelt, wie wir es bei manchen Bildern von Barbara Raetsch oder Peter Rohn sehen können. Auch Stephan Velten ist nicht mit seinen hochkarätigsten Sachen vertreten. Die politisch-ideologischen Gründe haben beim Kauf eine Rolle mitgespielt, wenn die Auswahl nicht in den Händen der Galerieleiterinnen, sondern beim Rat der Stadt und des Rates des Bezirkes lag“, betont die Direktorin.
Oft bekamen die Künstler Werkaufträge, wie Angela Frübing zum Thema „Kinder und ihr Leben im Alltag“, wofür sie 10 000 DDR-Mark erhielt. Alles ist akribisch aufgelistet und neben den biografischen Notizen, Leihverträgen und sämtlichen Einladungskarten zu Ausstellungen in einem Metallschrank verwahrt. Es wurde auch rückwirkend gekauft, um die Nachkriegszeit einzufangen. So gibt es Arbeiten des bekannten Malers der Neuen Sachlichkeit, Curt Querner, der auch in Nationalgalerie Berlin zu sehen ist. Und viele Ruinenbilder von Paul August, der Potsdam gleich nach dem Krieg malte. Er hat auch den „Bau der Schwimmhalle“ 1971 auf dem Brauhausberg in einem eindrucksvollen Farbholzschnitt festgehalten.“ weiterlesen